Die Vertreibung der Schönheit aus dem Paradies
Einst lebte die Schönheit im Paradies. Und die Schönheit war nicht wirklich Schönheit, nicht oberflächlich und bewertbar. Denn die Schönheit war unsichtbar. Sie war eine Wesensheit, wie eine Göttin, die da war, wenn sie da war und nicht da war, wenn sie nicht da war.
Alle die damals auch im Paradies waren, waren entweder in Schönheit oder nicht in Schönheit – ganz abhängig davon, ob die Schönheit grad da war, also dabei war, oder nicht. Und die, die im Paradies waren, machten sich keine Gedanken über die Schönheit. Denn die Schönheit war meistens da.
Ja, wenn die Schönheit mal nicht da war, dann war auch das Paradies nicht da, denn es gab kein Paradies ohne Schönheit. Aber offensichtlich hatte das Paradies einen Schönheits-Fehler. Es gab eine offene Tür, eine Pforte, einen Eingang, über den der Neid und die Gier ins Paradies eindringen konnten. Hatte die schöpferische Energie diese Tür bewusst offengelassen um so Zeit zu erschaffen? Die Zeit als den fortwährenden Kampf zwischen Abriss und Aufbau, Aufbau und Abriss?
Wir können es nicht sagen. Wir können nur sagen, dass die Gier und der Neid die Schönheit aus dem Paradies vertrieben haben. Und ohne Schönheit gibt es kein Paradies mehr. Verhaftet in der in uns verwurzelten Erinnerung versuchen wir seitdem Schönheit wiederzufinden. Wir kleben unsere Idee von der Schönheit auf Wände und Plakate, bringen sie ein in Gesetze und Ideologien, fliegen auf der Suche nach ihr zum Mond, zum Mars und bald noch weiter.
Aber die Schönheit ist ein sehr sehr scheuer Gedanke, wahrscheinlich die zerbrechlichste Idee überhaupt. Und als sie aus dem Paradies vertrieben wurde, wurden wir mitvertrieben. Aber wenn in vielen Millionen Jahren Schönheit, Neid und Gier wieder aufeinander treffen werden, dann vereint sich die Zeit vielleicht wieder in ihrem Ursprung und alles beginnt wahrscheinlich dann wieder von vorn.
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